Sturmsonate
oder die Vergänglichkeit der Musen (Oktober 2022)
Das stattliche Anwesen der Familie Obenvelder in einer süddeutschen Stadt ist dem langsamen Verfall preisgegeben. Diese Villa, die einmal das ‚Haus der Künste‘ genannt wurde, war früher ein Ort vielfältiger kultureller Veranstaltungen: Theater, Literatur, Konzerte und Kunstausstellungen. Prosper
Obenvelder, ein kunstsinniger und belesener Mann, hat sich, zusammen mit seinem Freund Leria, mit diesen kulturellen Aktivitäten einen Traum erfüllt.
Viele Jahre später kehrt Albrecht Bronnen, Journalist einer bekannten Münchner Zeitung, der als Sohn des Hausmeisters auf diesem Anwesen aufgewachsen ist, zurück, um ein paar familiäre Dinge zu regeln. Dabei trifft er auf Leria, den letzten, nun weit über neunzigjährigen Bewohner des Hauses. Leria richtet an Albrecht eine Bitte des inzwischen verstorbenen Prosper O., er möge eine Chronik der künstlerischen Aktivitäten zusammen mit der Familiengeschichte des Hauses verfassen.
Albrecht kommt diesem Wunsch nach und die Spurensuche, auf die er sich nun begibt, konfrontiert ihn gleichzeitig mit seiner eigenen Vergangenheit, mit ihren positiven und negativen Erlebnissen.
Prosper O. hatte die Schauspielerin Désirée Perlmann geheiratet, die bei den ‚Münchner Kammerspielen‘ engagiert war. Ihre Tochter Mira entwickelte sich später zu der begnadeten Pianistin, die eines Tages Beethovens sog. ‚Sturmsonate‘, Op. 31,2, spielte.
Albrecht durchlebt nun erneut seine Zeit mit Mira: Als sie Kinder waren, älter wurden, schließlich der Beginn ihrer Liebe, der nur eine kurze Zeit vergönnt war.
Beethoven soll in Bezug auf die Sonate Opus 31,2 gesagt haben, man müsse Shakespeares Komödie ‚Der Sturm‘ lesen. Diese beiden großen Werke sind nicht die einzigen, aber die beiden zentralen Kunstwerke des Romans, um die sich die Schicksale mehrerer Personen ranken.
Für Albrecht hat die Arbeit an der ‚Chronik‘ einen kathartischen Effekt und es wird ihm nicht nur erneut die Vergänglichkeit künstlerischen Wirkens vor Augen geführt, sondern er
kann dadurch auch die tragischen Begebenheiten seines Lebens zu einem gewissen Grade ‚aufarbeiten‘. Ihm wird mehr und mehr deutlich, dass der Mensch als ‚Kultur-Wesen‘ darauf achten muss, dass ihm seine vielfältigen kulturellen Errungenschaften nicht abhandenkommen.
In diesem Sinne ist der Roman auch ein Plädoyer gegen einen möglichen Kulturverfall.
Gerade in heutigen Zeiten könnte es wichtig sein, dass Kulturleistungen nicht in einer seelenlosen, kommerziellen Apparatewelt verschwinden.
2022 edition lichtblick
Egerstraße 2
26127 Oldenburg
ISBN 978-3-75683-557-7
Textauszug
„Er sah sie wieder auf diesem Stuhl sitzen und spielen. So, wie er sie sein ganzes Leben lang immer gesehen hatte: Für ihn war sie wie eine zaubernde Elfe, mit all ihrer Zartheit, Schönheit
und Eleganz. Wie sie auf dem Stuhl saß, den Kopf senkte, die Hände auf die Tasten legte und den arpeggierten A-Dur- Akkord folgen ließ. Dieser Akkord mit seinen langsam nachtropfenden Tönen, dann das schnelle Vorwärtsstürmen der dicht aufeinanderfolgenden Achtelnoten, sogenannte ‚Seufzer- Sekunden‘, wie ein erster, heftiger Windstoß. Ihre halblangen, dunkelbraunen Locken umspielten dabei ihr Gesicht.“
Andreas Sommer in "Heilbronner Stimme" am 29. Dezember 2022